Die Georg-Schumann-Str. 201

Str. 201. Teil einer Ansichtskarte von 1905.
(Quelle: Sammlung Karsten Brösel).
Wie bereits berichtet, war 1896 der untere Abschnitt der jetzigen Faradaystraße fertiggestellt und die östliche Straßenseite parzelliert worden. Diese Baugrundstücke wurden zügig verkauft und bebaut. Das Eckgrundstück zur jetzigen Georg-Schumann-Straße erwarb der Gohliser Architekt Albin Neumann und errichtete ein fünfgeschossiges Wohnhaus mit je 3 Wohnungen in den oberen Geschossen. Die Traufkante hatte die im neuen Bebauungsplan für Möckern geforderte Höhe. Das Gebäude besaß nur sparsamen Schmuck an den Fenstergewänden. Auffallend war der umlaufende Sims unterhalb und oberhalb des 1. Obergeschosses. Die nur wenig abstehenden Risalite am Eckgiebel und an den letzten zwei Fenstern zur Faradaystraße hoben sich aber wegen der Betonung durch imitierte Bossensteine von der Fassade ab.
Im Juni 1896 stellte Neumann den Bauantrag, im März 1897 beantragte er die Übernahme des Fußweges durch die Gemeinde – das Haus war also fertiggestellt. Es handelte sich auch hier um einen auf schnellen Mietgewinn zielenden Spekulationsbau. Die Gemeinde verlangte noch das „Zurückrücken“ der vorspringenden Eingangsstufe und betonte, dass Neumann keine Ansprüche geltend machen könnte, „wenn Regenwasser in die zu tief gesetzten Kellerfenster eindringen sollte.“
Im November 1897 kaufte Max Weber das Grundstück, von ihm erwarb es die Gohliser „Privata“ Frl. Olga Raitz. 1905 ließ sie aus einer der großen Wohnungen zwei kleineremachen, was ihr nachträglich untersagt wurde. Wegen der allgemein fehlenden Instandhaltung verfiel auch dieses Haus mehr und mehr. Mit Beginn der 1960er Jahre, als die Wohnungsnot immer größer wurde und Neubauten nicht in Aussicht standen, waren in Leipzig vereinzelt an marode gewordenen Altbauten Sanierungsarbeiten zugange, wobei man den ertüchtigten Gebäuden auch äußerlich das Flair von
Neubauten verleihen wollte. Also wurde die Fassade geglättet, und ein völlig neues Wohngefühl konnte entstehen.

(Quelle: Archiv Kohlwagen)
1991 erfolgte eine grundlegende Sanierung des Hauses. In dem Gebäude befanden sich zwei Läden, ein großzügiger Eckladen und ein eher bescheidener neben der Nr.199, die beide eine geradezu abenteuerliche Geschichte aufweisen. In dem Eckladen mit seinen wenigen Eingangsstufen befand sich anfangs der Gemischtwarenladen von Lina Kollmann. Damals war es üblich, dass sich Werktätige nach getaner Tagesarbeit auf ihrem Heimweg noch ein oder auch zwei Schnäpse bei einem benachbarten Kaufmann gönnten. Die Gesuche der Lina Kollmann für einen solchen „Branntweinkleinhandel mit Ausschank“ wurde von der Amtshauptmannschaft abgelehnt, wie auch die ihres Nachfolgers Clemens Schneider.
1905 eröffnete Arthur Wünsch die Germania-Drogerie, die danach Gerhard Wünsch von 1938 bis 1943 führte. Bei dem Umbau des Gebäudes Anfang der 1960er Jahre ließ die staatliche Handelsorganisation HO die Räume für ein Zentrales Warenkontor umbauen. Dabei wurde der Fußboden des Ladenraumes auf Erdgeschosshöhe hochgenommen und die Ladentür zugemauert.
1990 ließ der Brautmodenhandel Ursula Stein die von der HO aufgegebenen Räume für seine Zwecke umgestalten. Da man die durchgehende Ladenhöhe beibehielt, war vor dem wieder eingefügten Eckeingang ein umfänglicher Treppenaufgang erforderlich. Außerdem wurde die umgebende Fassade grafisch aufgewertet. Ab 2013 stand der Laden leer. 2017 übernahm der Modesalon Al-Hamidiya Fashion nach aufwändiger Ausgestaltung die Räume.

In dem kleineren Laden, der zwei Nebenräume aufwies, befand sich anfangs der Friseur Otto Zetzsche, 1905 gefolgt von Curt Böttner. 1920 zog der Möckernsche Schuhmacher Richard Thieme mit seinem Schuhladen ein. Auch als er 1938 in Rente ging, blieb er hier wohnen. 1950 übernahm der Uhrmachermeister Herbert Haberstumpf die Räumlichkeiten. Um 1980 ging Haberstumpf in Rente. Da sich kein Nachfolger fand, wurde der Laden zugebaut.
1990 ließ ein Textilhändler die Geschäftsräume wieder herstellen. 1991 folgte ein Video-Verleih. 1996 übernahm der Brautmoden-Eckladen diese Räume als willkommene Ergänzung. Ab 2013 stand der Laden leer, bis sich diverse Büros niederließen.